Recht und Justiz in der DDR
Einleitung
Die Deutsche Demokratische Republik (im weiteren DDR) rühmte sich, wie schon ihr Name
ausdrückt, ein demokratischer Staat zu sein.
Nach den Erkenntnissen der Enquete-Komission zur Aufarbeitung von Geschichte und
Folgen der SED-Diktatur in Deutschland, wird aber spätestens klar, dass diese
Namensgebung nicht der Wahrheit entsprach.
Im weiteren erläutert diese Facharbeit das Zusammenspiel von Politik und Justiz.
Da Justiz ein sehr weitläufiger Begriff ist, beschränkt sich diese Arbeit größtenteils
auf Verhandlungen der Gerichte und die dort gesprochenen Urteile.
Demokratie
Unter Demokratie versteht man heute eine Volksherrschaft, d.h. die Macht der
Regierung geht vom Volke aus. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass das Volk die
Regierung in freier und geheimer Wahl gewählt hat.
Die Kontrolle der Regierung durch unabhängige Organe, in Deutschland sind dies
die Verwaltungsgerichte, muss auch gegeben sein. An jene kann sich der Bürger
wenden um gegen den Staat, seine Gesetze und Entscheidungen vorzugehen.
Die sogenannte "Gewaltenteilung" macht dies erst möglich. Sie ist im Grundgesetz
festgeschrieben und teilt die Staatsgewalt in Legislative (gesetzgebende Gewalt),
Exekutive (ausführende Gewalt; Verwaltung) und Judikative (Rechtsprechung; Gerichtsbarkeit).
Diese Trennung ist für uns (das Volk) der Garant und die Sicherheit für die
Anwendung gegenseitiger Kontrollen, um die Macht des Staates im Gleichgewicht
zu halten (Gewaltenbalance) und dadurch den Schutz der Bürger vor willkürlichen
Staatseingriffen zu gewährleisten.
Sollte diese Sicherheit nicht mehr gegeben sein, kann es zu einer Korrumpierung
des Staates kommen, welche die Gewaltenbalance empfindlich stören und einen
demokratischen Staat z.B. in einen diktatorischen umwandeln könnte.
Justiz im DDR - Staat
Wie eingangs erwähnt ist die Justiz, im normal Fall, auch als Kontrollmittel der
Bürger gegen den Staat einzusetzen. Dies war in der DDR nicht der Fall.
Hier vertrat man die Meinung des Marxismus, indem Recht jeweils nur in seiner
konkreten gesellschaftlichen Funktion als Herrschaftsmittel in der Hand der
wirtschaftlich und politisch dominierenden Klasse ist. Damit wird ausgedrückt,
dass jedes Recht Klassencharakter hat. "Das sozialistische Recht der DDR dient
deshalb der Herrschaft der Arbeiterklasse, bzw. der marxistisch - leninistischen
Partei und ist so ein Mittel der bewussten Gesellschaftsgestaltung des Sozialismus."(1)
Die Partei sah sich dazu berufen, der Bevölkerung den Inhalt des Sozialismus zu
vermitteln, und nutzte das Recht als Herrschaftsinstrument, wie viele andere
sozialistischen Staaten auch.
Dies bedeutet, dass das Recht nicht eine Schranke ist welche die staatlichen Organe
einschränkt, im Falle der DDR besonders "der Partei", sondern das Recht in ihrem
Sinne, zu ihrem Vorteil nützen um ihre Macht zu erhalten oder gar auszubauen. So
ist eine Unabhängigkeit der Justiz im Sinne der Gewaltenteilung nicht mehr gegeben,
und Richter und Gerichte wurden so ein wichtiger Teil der einheitlichen Staatsgewalt
in der Hand der SED.(2)
Die Rechtsordnung gilt als Mittel der Politik. In einer DDR Veröffentlichung zum
sozialistischen Recht heißt es deshalb: "Das sozialistische Recht dient der ideologischen
Führung des Volkes durch die marxistisch - leninistische Partei der Arbeiterklasse.
Die Gesellschaftstragende Funktion des Rechts ist auf die sozialistische Erziehung
der Menschen zu sozialistischen Persönlichkeiten gerichtet... Das sozialistische Recht...
ist insofern organisierendes Instrument zur Heranbildung der sozialistischen Moral
in allen Klassen und Schichten."(3)
Die DDR änderte mit dieser Aussage den Begriff von Rechtssprechung ab in Rechtspflege.
Diese Rechtspflege diente dazu das sozialistische Gesetz, die Moralvorstellungen
der Partei und das Verhalten der Bürger, der Parteilinie anzupassen. So konnte der
sozialistische Gedanke im Bewusstsein der Bürger gefestigt werden. Daraus ergab sich
eine "Erziehung des Einzelnen, [also] nicht [...] seine[n] Schutz vor dem Staat".
Die entscheidende Feststellung aber ist, dass es keine Eigenständigkeit des Rechts gibt.(4)
Die Festlegung dieser Grundregeln der "sozialistischen Rechtspflege" sind in den
Artikeln 86 - 104 der Verfassung der DDR niedergeschrieben.
Der Artikel 90 hebt noch einmal speziell die Rechtspflege hervor, welche "der
Durchführung der sozialistischen Gesetzlichkeit" dienen soll.(5)
Entstehung der DDR - Gerichte
Befehl 49 am 04.Sep. 1945
"Zwecks Beseitigung der nicht aufeinander abgestimmten Tätigkeit des deutschen
Gerichtsapparates in der Sowjet-Truppen besetzten Zone befehle ich:
- Das System der deutschen Gerichte in allen Provinzen ist in Übereinstimmung
mit der Gesetzgebung, wie sie zum 01.01. 1933 existierte, zu reorganisieren.
In den Provinzen ist folgendes Gerichtssystem festzusetzen: Rayon-Gerichte
(Amtsgerichte) nach Zahl der Rayons, Bezirksgerichte (Landgerichte) und Oberlandesgerichte
- Dem Direktor der zentralen deutschen Justizverwaltung, die Reorganisation der
deutschen Gerichte in der sowjetischen Zone zum 1. Oktober d. J. durchzuführen.
Die Chefs der SMA (Sowjetische Militäradministration) der Provinzen haben der
zentralen deutschen Justizverwaltung die erforderliche Unterstützung bei dieser
Arbeit zu gewähren.
- Bei Durchführung der Reorganisierung des Gerichtssystems sind sämtliche
früheren Mitglieder der NSDAP aus dem Apparat der Gerichte und der Staatsanwaltschaft
zu entfernen, ebenso die Personen, welche an der Strafpolitik unter dem Hitler - Regime
unmittelbar teilgenommen haben.
- Die Kontrolle über die Durchführung des vorliegenden Befehle übertrage ich
dem Chef der Rechtsabteilung der SMAD (Sowjetische Militäradministration in
Deutschland), Karrasew."
(6)
Dieser Befehl bildet die Grundlage des Justizsystems der DDR. Durch ihn sorgte
die Führung der Sowjetischen Besatzungszone für die Reorganisation ihres Gerichtssystems.
Die in Absatz 3 beschriebene Verbannung der Justizangestellten aus der Zeit des
Nationalsozialismus, diente der SMA allerdings auch als Deckmantel zur Verschleierung,
um die Entlassung der "bürgerlichen" Richter und Staatsanwälte zu vertuschen und sie
gegen linientreue Kommunisten zu ersetzen.
Um die fehlenden Kräfte zu ersetzen, wurden jetzt Funktionäre geschult, denen es
mehr als häufig an fachlicher Qualifikation mangelte. Diese Volksrichter und
Volksstaatsanwälte glichen ihr fachliches Defiziet jedoch mit der politischen
Beflissenheit aus, den Willen der Partei durchzusetzen.
Die einzigen Beschränkungen für den Eintritt in eines dieser Ämter waren eine
Altersgrenze von 25 bis 45 Jahren, eine antifaschistische, demokratische Einstellung
und ein Volksschulabschluss. 17% der Richter, die 1947 in der SBZ (Sowjetische Besatzungszone)
urteilten, waren so an ihr Amt gekommen.
Der Politisierung der Rechtssprechung war mit dieser Entwicklung Tür und Tor
geöffnet - was vor allem eine Radikalisierung in der politischen Strafjustiz zur Folge hatte.(7)
(8)
Organe Der Rechtsprechung
Aufbau der Gerichte in der DDR
Das DDR Gerichtssystem wurde später in den Artikeln 86 - 104 in der Verfassung der
DDR festgelegt Als höchste Instanz der Gerichtsbarkeit galt der Oberste Gerichtshof.
Seine Aufgabe ist lt. der DDR Verfassung "Die einheitliche und richtige Gesetzesanwendung
durch alle Gerichte" zu sichern. (9)
Mit andern Worten ausgedrückt, der Oberste Gerichtshof hat dafür Sorge zu tragen,
dass das geschriebene Gesetz von allen Gerichten eingehalten wird und das es auch
nicht zu Rechtsbeugungen kommt.
An zweiter Stelle stehen die Bezirksgerichte, danach folgen die Kreisgerichte.
Nachdem die Engpässe der Justizbeamten überwunden waren, mussten die Richter der DDR
auch studiert sein. Allerdings gab es weiterhin sogenannte "gesellschaftliche Gerichte"
deren Vorsitz Laien inne hatten.
Diese gesellschaftlichen Gerichte bearbeiteten und entschieden rund 1/3 aller Strafsachen.
Es gab sie als Konfliktkommissionen in den Betrieben und Schiedskommissionen in den Wohnbezirken.
Ihre Zuständigkeit lag bei der Aburteilung von kleineren Vergehen, Verfehlungen und
Ordnungswidrigkeiten. Manchmal urteilten sie auch über zivilrechtliche Streitigkeiten.
Durch dieses Einschalten von Laien in die Rechtspflege wurde der Justizapparat in die
Gesellschaft integriert. Wer von den gesellschaftlichen Gerichten abgeurteilt wurde
galt nicht als vorbestraft. Man sah eine Verurteilung in diesem Fall als "moralische
Erziehung des Bürgers im Sinne des Kollektivs"(10)
Problematisch war allerdings teilweise die Bestrafung verschiedener Delikte, denn
für manche gab es keine festgelegten Richtlinien sondern nur ein festgesetztes Strafmaß,
beispielsweise für "arbeitsscheues Verhalten". Hier hing die Verurteilung von der
Interpretation des "Richters" ab.
Ein großer Vorteil, den diese Laiengerichte hatten, war die Entlastung des Justizapparats,
da verschiedene Bagatelldelikte eben durch jene gesellschaftlichen Gerichte abgeurteilt
wurden.(11)
Richter, Schöffen und Staatsanwälte
Richter und Schöffen wurden von einer Volksvertretung gewählt. Die Amtszeit wurde
auf 5 Jahre festgelegt. Da sie aber keine Immunität besaßen konnten sie von der
Volksvertretung auch wieder abgesetzt werden.
Lt. Verfassung sind Richter und Schöffen dazu verpflichtet worden linientreu zu sein.
Obwohl in Art. 96 Abs. 1 der DDR Verfassung festgelegt ist, dass Richter und Schöffen
"in ihrer Rechtsprechung unabhängig" sind.
Die "Unabhängigkeit" der Richter ist so auf die Parteilinie begrenzt, was bedeutet,
dass die Richter von der SED abhängig waren.
Um sich der linientreue aller Richter sicher zu sein, wurde festgelegt das nur
Richter werden kann, "wer dem Volk und seinem sozialistischen Staat treu ergeben
ist und über ein hohes Maß an Wissen und Lebenserfahrung, an menschlicher Reife
und Charakterfestigkeit verfügt".(12)
Laut einem DDR-Staatsanwalt muss "der Richter in der DDR [...] ein verlässlicher
politischer Funktionär sein."(13)
Gleiches galt auch für die Staatsanwaltschaft. Ihre Aufgabe war es, über die "
strikte Einhaltung der sozialistischen Gerechtigkeit" zur "Sicherung der
sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung und der Rechte ihrer Bürger"
zu wachen (Art. 97 - DDR Verfassung).(14)
Auch hier tritt wieder ein Wiederspruch auf, denn im Staatsanwaltschaftsgesetz der
DDR steht auch, dass das Recht des Einzelnen den "Erfordernissen der sozialistischen
Gesellschaft untergeordnet" zu sein hat. Deswegen ist die Staatsanwaltschaft auch
"zentrales Organ der einheitlichen sozialistischen Staatsmacht mit den oben genannten
Aufgaben. Die Staatsanwaltschaft, die sich aus Generalstaatsanwaltschaft, Bezirks- und
Kreisstaatsanwälten zusammensetzt, ist an die Volkskammer und deren Anweisungen gebunden,
und muss sich dieser gegenüber verantworten.(15)
Ministerium für Staatssicherheit (MfS; Stasi)
Der Verantwortungsbereich der Stasi war primär "der Schutz der Staats- und
Gesellschaftsordnung der DDR" aber inoffiziell legte sie im Auftrag der SED den
Richtern die Urteile vor und stellte das Publikum bei "öffentlichen Verhandlungen".
Offiziell galt sie als "zentrales Organ des Ministerrates der DDR zur Organisation
der Abwehr und Bekämpfung konterrevolutionärer Anschläge auf die sozialistische Staats-
und Gesellschaftsordnung in der DDR." (16)
Ihre Berühmtheit erlangte die Stasi durch ihr perfekt organisiertes Netz und die
so stattfindende umfassende Kontrolle aller Lebensbereiche in der Deutschen
Demokratischen Republik. Durch Spionage im In- und Ausland, vor allem auch in der
Bundesrepublik, macht die Stasi auch heute noch, 14 Jahre nach dem Mauerfall, von sich reden.
Der Aufbau des MfS war typisch, die Zentrale stand in
Berlin - Lichtenfels von dort aus wurden die Bezirks- und Kreisdienststellen kontrolliert.
Dort liefen unter anderem die verschiedenen gesammelten Informationen zusammen.
Die Organe der Stasi waren in Hauptverwaltung Sicherung und Hauptverwaltung Aufklärung
unterteilt.
In Großbetrieben wie auch in Gefängnissen, war immer ein hauptamtlicher Beauftragter
des MfS vertreten um die dortigen Arbeiten bzw. "Umerziehungsmaßnahmen" zu beaufsichtigen.
Die Effektivität der Organisation wurde aber nicht durch diese Mitarbeiter erreicht,
sondern eher durch viele "unabhängige inoffizielle" Mitarbeiter. Um nicht den Ausdruck
Spitzel oder Spion zu benutzen beschrieb man diese als "sozialistische Kundschafter
an der unsichtbaren Front"(17)
Obwohl das Ministerium für Staatssicherheit der Exekutive und nicht der Judikative
angehört, ist es wichtig dieses in Verbindung mit dem anderen zu sehen.
In manchem Büro eines Richters saß ein Stasi Mitarbeiter der die Urteile überprüfte
und über die Vernehmungspraktiken der MfS, (Verpflegungsentzug, Dunkel-, Kältezellen,
lange Einzelhaft, schwere Misshandlungen),(18) wurden immer wieder Dinge bekannt,
die mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Verfassung der DDR nicht vereinbar waren.
So war zum Beispiel Erich Mielke der Meinung, und äußerte diese auch öffentlich bei
einer Kollegiumssitzung "Wir sind nicht davor gefeit, dass wir mal einen Schuft
unter uns haben. Wenn ich dass schon jetzt wüsste, würde er ab morgen nicht mehr leben.
Kurzen Prozess.... Das ganze Geschwafel, von wegen nicht hinrichten und nicht Todesurteil
- alles Käse, Genossen. Hinrichten, wenn notwenig auch ohne Gerichtsurteil."(19)
Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
Die DDR Justiz ist als ein Musterstück der Verstrickung von Behörden und Systemen
in der SED Diktatur zu sehen.
Schon während ihrer Studienzeit sind Studenten die später Richter, Staatsanwälte
oder Anwälte werden wollten darauf vorbereitet worden, dass dies nur mit Hilfe der
Partei möglich war.
So galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass Jurastudenten Mitglieder der SED zu sein hatten.
Der Begriff der Unabhängigen Justiz wurde von der SED öffentlich verlacht.(20)
"Der durch keine Gewaltenteilung", wie oben ausführlich beschrieben, "behinderte
reale Souverän des politischen Systems der DDR waren das Politbüro der SED und der
Erste Sekretär beziehungsweise Generalsekretär des Zentralkomitees
[dieser Posten war durchgehend von einem SED Mitglied besetzt].
Sie beanspruchten hinter der Fassade des Verfassungsstaates nicht nur die Herrschaft
über die Gesetzgebung und die personelle Zusammensetzung des Staatsapparates (unter anderem
geregelt im Nomenklatursystem), sondern bei politischem Bedarf gleichermaßen die Herrschaft
über die Festnahmen, Anklageerhebungen. Anders gesagt, es gab keine justitieller Verfahren
und Abläufe, die für die Parteiführung prinzipiell ‚eingriffsfest' war. "(21)
Rechtssprechung
Waldheimer Nazi - Prozesse
In den "Waldheim Prozessen" 1950 wurde der Missbrauch der "Entnazifizierung" in der
DDR deutlich sichtbar.
Wie in ganz Deutschland wurden führende Nationalsozialisten in Lager gebracht,
die meist ehemalige Konzentrationslager waren. Allerdings wurden in der SBZ nicht
nur Nationalsozialisten in die Lager gebracht. Auch Sozialdemokraten, die sich
kritisch und abwehrend gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht und der KPD/SED
betriebenen Politik verhielten, wurden dort inhaftiert.
1948 lösten die Amerikaner, die Franzosen und die Engländer ihre letzten Lager auf.
Anders war dies in der SBZ. Das letzte Internierungslager wurde dort am 17. Januar 1950
aufgelöst. 10.500 der Gefangenen wurden der DDR Justiz unterstellt.
10.000 wurden ohne Urteil freigelassen, 3.400 allerdings wurden "zur Untersuchung
ihrer verbrecherischen Tätigkeit und Aburteilung durch das Gericht der Deutschen
Demokratischen Republik" weiter in Haft behalten.
Ihnen wurde ab April 1950 in Waldheim der Prozess gemacht.
160 davon
hatten zur Kapitulation der Nazi-Diktatur noch nicht einmal das 18 Lebensjahr erreicht.
Wie oben schon einmal erwähnt waren einige der Richter der DDR von der SED Regierung
ernannt worden, obwohl dies mit dem Art. 133 der DDR- Verfassung, welcher wenige
Monate vor den Waldheimprozessen verabschiedet wurde, nicht vereinbar war, da er
Ausnahmegerichte verbot wie auch dass ernennen von Richtern durch eine nichtstaatliche
Organisation.
Zum Richter wurden von der Partei ernannt, wer auf die Frage "ob sie bereit wären ,
von der SED gefällte Urteile zu verkünden" bejahte. Falls man hierzu nicht bereit war,
hatte man seine Ernennung zum Richter in Waldheim verspielt.
Am Vorabend einer jeden Verhandlung besuchte ein SED Beauftragter den entsprechenden
Richter und legte die Strafe fest, die zu verkünden war.
So dauerte jede Verhandlung ca. 30 bis 40 Min und fanden ohne Zeugen oder Verteidiger des
Angeklagten statt.
Es gab zwar 10 Fälle die öffentlich verhandelt wurden, allerdings wurde hier ein
Publikum ausgewählt, das vor Verhandlungsbeginn eine Art Generalprobe zu absolvieren hatte.
Zwar gab es in der DDR Verfassung einen Artikel, der das Recht auf eine öffentliche
Verhandlung garantierte, dies wurde aber auf Wunsch der Partei einfach ausgesetzt.
Von den Angeklagten in Waldheim wurden 32 zum Tode verurteilt. Die letzte Entscheidung
über ihr Todesurteil fällte allerdings nicht ein Gericht, sondern der Generalsekretär
des ZK (Zentralkomitees) der SED, Walter Ulbricht.
Weder in der Verfassung noch im Gerichtsverfassungsgesetz wird ihm dafür die Position
eingeräumt.
Fakt ist, dass von den 32 zum Tode verurteilten 24 hingerichtet wurden und 6,
nach Anweisung des Politbüros, Lebenslang in Haft kamen. 2 andere sind vor der Exekution gestorben. Seit 1993/94 liegen für die Behauptung, dass es eine "Regieanweisung" bei den
Waldheimprozessen gab Beweise vor.
Es wurden Papiere vorgelegt, in denen niedergeschrieben wurde, dass die
"Öffentlichkeit aus dem dortigen [(Haus der Staatssicherheit, Dresden)] Mitarbeitern bestehen soll."(22)
Auch wurde festgelegt, das "Richter und Beisitzer [...] möglichst durch Beschluss verwerfen" sollen.
Was soviel Bedeutet wie, keine Zulassung von Rechtsmittel (Berufung Wiederspruch etc.).
Ebenso wie Wahlverteidigung oder Zeugen nicht zugelassen wurden da, so wörtlich,
"dann eine große Anzahl Freisprüche herauskämen"(23)
Nachdem diese Punkte geregelt waren, wurde die Strafe festgelegt und die Sowjetische
Militäradministration informiert.
So kann man heute sagen ist die DDR "Justiz als Theaterspiel, doch mit blutigem Ausgang"
(24) zu sehen.
Wie wir heute wissen, waren die "Waldheimer Prozesse" für die DDR Führung sehr wichtig,
denn "die anlässlich der "Waldheimer Prozesse" praktizierten vielfältigen Lenkungs-
und Eingriffsmechanismen, die die SED unter konsequentem Bruch mit der frisch
verabschiedeten Verfassung einsetzte, finden sich in den unterschiedlichem Maße
auch in den folgen Jahren wieder. Insoweit war "Waldheim" eine Generalprobe für die SED
Justiz. Zu ihnen zählten:
- das für den Einzelfall gebildete Ausnahmegericht,
- die Auswahl und Ernennung der Richter durch zentrale
Parteigremien,
- die Kontrolle über das Verfahren, von der Anklageerhebung bis zum Urteil,
dem Urteilsdiktat und dem Urteilsvollzug, durch zentrale Parteigremien,
- das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit,
- das Operieren mit rechtlichen und tatsächlich völlig unhaltbaren
"Deliktfabrikaten",
- die Absetzung, Verhaftung und gegebenen falls Verurteilung von
Justizfunktionären, einschließlich der formell in ihrer Position besonders
privilegierten Richter,
- der Rückgriff auf die "Parteijustiz" in Gestalt der SED -
Parteikontrollkommission, um der SED zugehörige Richter gefügig zu machen und
auf die aktuelle Parteilinie zu bringen,
- der Ausschluss jedweder Form unabhängiger Verteidigung, wie es
für das Strafverfahren im demokratischen Verfassungsstaat charakteristisch ist."(25)
(26)
Politische Strafjustiz
Ein Bild das uns heute als erstes einfällt, wenn wir an die DDR denken, sind Geschichten
von waghalsigen Fluchten über die "Zonengrenze".
Diese Fluchtversuche wurden "ungesetzliche Grenzübertritte" genannt. Wer zur Flucht
verhalf und erwischt wurde, konnte wegen "staatsfeindlichem Menschenhandel" verurteilt
werden.
In der DDR Justiz wurden Fluchtversuche als politische Delikte geahndet, mit 50 %
machten sie den Großteil der Urteile auf dieser Ebene aus. Die restlichen 50 % setzten
sich aus "staatsfeindliche Hetze", "Spionage", "verfassungsfeindlichen
Zusammenschluss" oder andere sogenannte "konterrevolutionäre Verbrechen" zusammen.
(27)
Ein Musterbeispiel für den Vorwurf der Staatsfeindlichen Hetze und Politisierung
der Justiz erfuhr der DDR-Richter Udo Gemballa am eigenen Leib. 1956 äußerte er
sich in einer Rede über die Bedeutung und Rolle des Rechts bei der Festigung des
Arbeiter und Bauernstaates kritisch. Dafür wurde er zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt
und seines Richteramtes enthoben.
Der Vorwurf der staatsfeindlichen Hetze genügte der SED aber nicht, um sich in Zukunft
vor solchen "Übergriffen" ihrer Richter zu schützen. Aus diesem Grund wurde Gemballa
noch zusätzlich zur Hetze, wegen Rechtsbeugung verurteilt.
Er hatte zwei Jugendliche, die über die Grenze geflohen waren, da sie eine Prügelei
begonnen hatten, und wieder zurück gekehrt sind, nur zu 3 Monaten Haft auf Bewährung
verurteilt, wegen der Prügelei. Die Landesflucht hatte er außen vor belassen.(28)
Obwohl er sie lt. Passgesetz mit bis zu 3 Jahren Haft oder Geldstrafe belegen hätte müssen.(29)
DDR -Richter Problematik
Wenn man heute über den Sinn des Themas Justiz in der DDR nachdenkt, könnte man
meinen es ist unwichtig geworden, denn die DDR ist aufgelöst.
Dies ist allerdings ein Fehler. Viele ehemalige DDR Bürger sind immer noch zu unrecht
verurteilt und nicht wieder rehabilitiert worden. Wie auch viele DDR Richter, die
ihre Position ausgenutzt haben, noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.
Allerdings ist die Aburteilung von Angestellten der DDR Justiz nicht so einfach
wie man glauben möchte. Durch die schwammige Beschreibung der Gesetze und durch
die, bei Bedarf, neu eingebrachten Regelungen der SED sind viele Urteile gültig,
bzw. gültig gemacht worden.
Ein weiteres Problem der Aburteilung der DDR Richter ist, dass die meisten sich
zwar an die Gesetze gehalten haben, aber das diese sich teilweise in sich wiedersprachen.
Wie zum Beispiel das richten nach dem eigenen Gewissen aber doch auch nach der Linie
der Partei. Viele Richter fürchteten auch um ihren Beruf und / oder ihre Familien,
wenn sie den Willen der Partei nicht erfüllten. Der berühmte Ausspruch
"Was hätten sie denn gemacht" ist aus diesem Grund nicht selten zu hören, wenn ein
DDR Richter auf der Anklagebank sitzt.
Udo Gemballa, der Richter in der DDR war und wegen seiner eigenen Gedanken nicht
nur seines Amtes enthoben, sondern auch ins Gefängnis gesteckt wurde, hat selbst
davon berichtet das er immer Angst hatte wenn er einen schwarzen EMW PKW gesehen hat,
wieder in die Stasi Haft zu gelangen.
Ist es da nicht nachvollziehbar das man lieber der Regierungslinie folgt und die
ausgewiesenen Urteile spricht? Anstatt wie Gemballa auf Rechtsstaatlichkeit und
auch Menschlichkeit zu pochen und dafür eingesperrt zu werden?
Diese Frage ist heute schwer zu beantworten, da die wirkliche Macht des Systems
uns trotz vieler Berichte von Zeit Zeugen und Dokumenten verschlossen bleibt, und
wenn nicht verschlossen, dann doch sehr schwer verständlich. Es stellt sich die
Frage ob wir hier und heute die Menschen der Zeit verurteilen können? Nach unserem
Gesetz können und müssen wir dies sogar. Doch sollte man nie vergessen, dass die
zu Verurteilenden in einem Land gelebt haben, dass durch eine Mauer geteilt war
und aus dem sie nicht hätten flüchten können, ohne ihr Leben zu gefährden.
Ein Reporter hat Krustschow nach dem Tod Stalins gefragt warum keiner etwas gegen
ihn unternommen hätte. Chruschtschow fragte in den Saal "Wer hat das gesagt?" und
alle schwiegen. Seine Antwort auf die Frage war ein einfaches "Sehen sie... darum".
Ich denke dieses Beispiel kann man auch auf die Justiz der DDR anwenden, wenn man
die Frage stellt warum die Richter sich nicht gegen die Einmischung der SED und
der Stasi gestellt haben. Angst.
Die DDR- ein Unrechtsstaat?
Diese Frage lässt sich mit wenigen Worten beantworten, und muss in den meisten
Fällen bejaht werden. In vielen Verhandlungen sind Bewohner der DDR systematisch
Rechte verweigert worden, die in der Verfassung für sie festgelegt waren, zum Schutz
vor einer erneuten Parteiendiktatur und Unterdrückung wie im dritten Reich.
Aber man sollte nicht vergessen, dass wohl die Überzahl der Rechtsprechungen in der
DDR, sich in einem Rahmen bewegten den man mit gutem Gewissen als Gesetzestreu beschreiben
kann.(30)
Schluss
Abschließend ist wohl nicht von der Hand zu weisen, dass viele strafrechtliche
Urteile politisiert wurden, und dass es bei diesen Verfahren nicht nach verfassungsmäßigen
Gegebenheiten, sondern nach dem Willen "der Partei" ging.
Trotzdem vermissen viele ehemalige DDR Bewohner dass DDR Recht, dass sie als übersichtlicher
und einfacher empfanden, als dass Recht der Bundesrepublik heute,
in dem man ohne einen Anwalt nicht zu seinem Recht kommen kann.
Fußnoten:
1 Göbel, Walter S. 99 Z. 09 - 12
2 Göbel, Walter S. 99 Z. 18
3 Göbel, Walter S. 99 Z. 26 - 35
4 Göbel, Walter S. 99 Z. 41 -43
5 Göbel, Walter S. 98 - 99
6 Fricke, Karl Wilhelm S. 30 Z. 38 - S. 31 Z. 20
7 Fricke, Karl Wilhelm S. 38 Z. 41 - 43
8 Fricke, Karl Wilhelm S. 38
9 Göbel, Walter S. 100 Z. 8 - 10
10 Göbel Walter, S. 100 Z. 26 - 27
11 Göbel Walter, S. 100 Fricke; Karl Wilhelm S. 38
12 Göbel Walter, S. 101 Z. 6 - 7
13 Göbel Walter, S. 101 Seitenrand
14 Göbel Walter, S. 101 Z. 12 - 15
15 Göbel Walter, S. 100 - 101
16 Göbel Walter, S. 102 Z. 3 - 6
17 Göbel Walter, S. 102 Z. 17 - 18
18 Göbel Walter, S. 102 Seitenrand
19 Bürgerkomitee Leipzig; S. 213
20 Bürgerkomitee Leipzig S 214 - 215
21 Werkentin, Falco S. 99 Spalte 2 Z. 30 - 46
22 Werkentin, Falco S. 13 Z. 31 - 32
23 Werkentin, Falco S. 14 Spalte II Z. 7 - 8
24 Werkentin, Falco S. 13 Spalte I Z. 34 - 35
25 Werkentin, Falco S. 16 Spalte II Z. 8 - S. 17
26 Werkentin, Falco S. 12 - 17
27 Göbel, Walter S. 101
28 Gemballa, Udo S. 18 u. Anhang 12
29 Gemballa, Udo Anhang 3
30 Werkentin, Falco S. 99 Z. 1 - 10
Literaturverzeichnis:
1. Bürgerkomitee Leipzig; STASI intern - Macht und Banalität; Forum Verlag; Leipzig 1991
2. Fricke, Karl Wilhelm; Politik und Justiz in der DDR - Zug Geschichte der Verfolgung
1945 - 1968 Bericht und Dokumentation; Verlag Wissenschaft und Politik; Köln 1979
3. Gembala, Udo; DDR - Justizunrecht; zwischen 17. Juni 1953 und Mauerbau; Books on demand GmbH, Norderstedt 2003
4. Göbel, Walter; Kurswissen Politik, Systemvergleich, Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik;
Ernst Klett Verlag; Stuttgart 1989
5. Werkentin, Falco; Recht und Justiz im SED - Staat, Bundeszentrale für politische Bildung; Bonn 1998