Recht und Justiz in der DDR



Einleitung


Die Deutsche Demokratische Republik (im weiteren DDR) rühmte sich, wie schon ihr Name ausdrückt, ein demokratischer Staat zu sein.
Nach den Erkenntnissen der Enquete-Komission zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland, wird aber spätestens klar, dass diese Namensgebung nicht der Wahrheit entsprach.
Im weiteren erläutert diese Facharbeit das Zusammenspiel von Politik und Justiz.
Da Justiz ein sehr weitläufiger Begriff ist, beschränkt sich diese Arbeit größtenteils auf Verhandlungen der Gerichte und die dort gesprochenen Urteile.

Demokratie


Unter Demokratie versteht man heute eine Volksherrschaft, d.h. die Macht der Regierung geht vom Volke aus. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass das Volk die Regierung in freier und geheimer Wahl gewählt hat.
Die Kontrolle der Regierung durch unabhängige Organe, in Deutschland sind dies die Verwaltungsgerichte, muss auch gegeben sein. An jene kann sich der Bürger wenden um gegen den Staat, seine Gesetze und Entscheidungen vorzugehen.
Die sogenannte "Gewaltenteilung" macht dies erst möglich. Sie ist im Grundgesetz festgeschrieben und teilt die Staatsgewalt in Legislative (gesetzgebende Gewalt), Exekutive (ausführende Gewalt; Verwaltung) und Judikative (Rechtsprechung; Gerichtsbarkeit).
Diese Trennung ist für uns (das Volk) der Garant und die Sicherheit für die Anwendung gegenseitiger Kontrollen, um die Macht des Staates im Gleichgewicht zu halten (Gewaltenbalance) und dadurch den Schutz der Bürger vor willkürlichen Staatseingriffen zu gewährleisten.
Sollte diese Sicherheit nicht mehr gegeben sein, kann es zu einer Korrumpierung des Staates kommen, welche die Gewaltenbalance empfindlich stören und einen demokratischen Staat z.B. in einen diktatorischen umwandeln könnte.

Justiz im DDR - Staat


Wie eingangs erwähnt ist die Justiz, im normal Fall, auch als Kontrollmittel der Bürger gegen den Staat einzusetzen. Dies war in der DDR nicht der Fall.
Hier vertrat man die Meinung des Marxismus, indem Recht jeweils nur in seiner konkreten gesellschaftlichen Funktion als Herrschaftsmittel in der Hand der wirtschaftlich und politisch dominierenden Klasse ist. Damit wird ausgedrückt, dass jedes Recht Klassencharakter hat. "Das sozialistische Recht der DDR dient deshalb der Herrschaft der Arbeiterklasse, bzw. der marxistisch - leninistischen Partei und ist so ein Mittel der bewussten Gesellschaftsgestaltung des Sozialismus."(1) Die Partei sah sich dazu berufen, der Bevölkerung den Inhalt des Sozialismus zu vermitteln, und nutzte das Recht als Herrschaftsinstrument, wie viele andere sozialistischen Staaten auch.
Dies bedeutet, dass das Recht nicht eine Schranke ist welche die staatlichen Organe einschränkt, im Falle der DDR besonders "der Partei", sondern das Recht in ihrem Sinne, zu ihrem Vorteil nützen um ihre Macht zu erhalten oder gar auszubauen. So ist eine Unabhängigkeit der Justiz im Sinne der Gewaltenteilung nicht mehr gegeben, und Richter und Gerichte wurden so ein wichtiger Teil der einheitlichen Staatsgewalt in der Hand der SED.(2) Die Rechtsordnung gilt als Mittel der Politik. In einer DDR Veröffentlichung zum sozialistischen Recht heißt es deshalb: "Das sozialistische Recht dient der ideologischen Führung des Volkes durch die marxistisch - leninistische Partei der Arbeiterklasse. Die Gesellschaftstragende Funktion des Rechts ist auf die sozialistische Erziehung der Menschen zu sozialistischen Persönlichkeiten gerichtet... Das sozialistische Recht... ist insofern organisierendes Instrument zur Heranbildung der sozialistischen Moral in allen Klassen und Schichten."(3) Die DDR änderte mit dieser Aussage den Begriff von Rechtssprechung ab in Rechtspflege. Diese Rechtspflege diente dazu das sozialistische Gesetz, die Moralvorstellungen der Partei und das Verhalten der Bürger, der Parteilinie anzupassen. So konnte der sozialistische Gedanke im Bewusstsein der Bürger gefestigt werden. Daraus ergab sich eine "Erziehung des Einzelnen, [also] nicht [...] seine[n] Schutz vor dem Staat". Die entscheidende Feststellung aber ist, dass es keine Eigenständigkeit des Rechts gibt.(4) Die Festlegung dieser Grundregeln der "sozialistischen Rechtspflege" sind in den Artikeln 86 - 104 der Verfassung der DDR niedergeschrieben.
Der Artikel 90 hebt noch einmal speziell die Rechtspflege hervor, welche "der Durchführung der sozialistischen Gesetzlichkeit" dienen soll.(5)

Entstehung der DDR - Gerichte


Befehl 49 am 04.Sep. 1945
"Zwecks Beseitigung der nicht aufeinander abgestimmten Tätigkeit des deutschen Gerichtsapparates in der Sowjet-Truppen besetzten Zone befehle ich:

  1. Das System der deutschen Gerichte in allen Provinzen ist in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung, wie sie zum 01.01. 1933 existierte, zu reorganisieren. In den Provinzen ist folgendes Gerichtssystem festzusetzen: Rayon-Gerichte (Amtsgerichte) nach Zahl der Rayons, Bezirksgerichte (Landgerichte) und Oberlandesgerichte

  2. Dem Direktor der zentralen deutschen Justizverwaltung, die Reorganisation der deutschen Gerichte in der sowjetischen Zone zum 1. Oktober d. J. durchzuführen. Die Chefs der SMA (Sowjetische Militäradministration) der Provinzen haben der zentralen deutschen Justizverwaltung die erforderliche Unterstützung bei dieser Arbeit zu gewähren.

  3. Bei Durchführung der Reorganisierung des Gerichtssystems sind sämtliche früheren Mitglieder der NSDAP aus dem Apparat der Gerichte und der Staatsanwaltschaft zu entfernen, ebenso die Personen, welche an der Strafpolitik unter dem Hitler - Regime unmittelbar teilgenommen haben.

  4. Die Kontrolle über die Durchführung des vorliegenden Befehle übertrage ich dem Chef der Rechtsabteilung der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland), Karrasew."
  5. (6)

Dieser Befehl bildet die Grundlage des Justizsystems der DDR. Durch ihn sorgte die Führung der Sowjetischen Besatzungszone für die Reorganisation ihres Gerichtssystems.
Die in Absatz 3 beschriebene Verbannung der Justizangestellten aus der Zeit des Nationalsozialismus, diente der SMA allerdings auch als Deckmantel zur Verschleierung, um die Entlassung der "bürgerlichen" Richter und Staatsanwälte zu vertuschen und sie gegen linientreue Kommunisten zu ersetzen.
Um die fehlenden Kräfte zu ersetzen, wurden jetzt Funktionäre geschult, denen es mehr als häufig an fachlicher Qualifikation mangelte. Diese Volksrichter und Volksstaatsanwälte glichen ihr fachliches Defiziet jedoch mit der politischen Beflissenheit aus, den Willen der Partei durchzusetzen.
Die einzigen Beschränkungen für den Eintritt in eines dieser Ämter waren eine Altersgrenze von 25 bis 45 Jahren, eine antifaschistische, demokratische Einstellung und ein Volksschulabschluss. 17% der Richter, die 1947 in der SBZ (Sowjetische Besatzungszone) urteilten, waren so an ihr Amt gekommen.
Der Politisierung der Rechtssprechung war mit dieser Entwicklung Tür und Tor geöffnet - was vor allem eine Radikalisierung in der politischen Strafjustiz zur Folge hatte.(7) (8)


Organe Der Rechtsprechung

Aufbau der Gerichte in der DDR

Das DDR Gerichtssystem wurde später in den Artikeln 86 - 104 in der Verfassung der DDR festgelegt Als höchste Instanz der Gerichtsbarkeit galt der Oberste Gerichtshof. Seine Aufgabe ist lt. der DDR Verfassung "Die einheitliche und richtige Gesetzesanwendung durch alle Gerichte" zu sichern. (9)
Mit andern Worten ausgedrückt, der Oberste Gerichtshof hat dafür Sorge zu tragen, dass das geschriebene Gesetz von allen Gerichten eingehalten wird und das es auch nicht zu Rechtsbeugungen kommt.
An zweiter Stelle stehen die Bezirksgerichte, danach folgen die Kreisgerichte.
Nachdem die Engpässe der Justizbeamten überwunden waren, mussten die Richter der DDR auch studiert sein. Allerdings gab es weiterhin sogenannte "gesellschaftliche Gerichte" deren Vorsitz Laien inne hatten.
Diese gesellschaftlichen Gerichte bearbeiteten und entschieden rund 1/3 aller Strafsachen.
Es gab sie als Konfliktkommissionen in den Betrieben und Schiedskommissionen in den Wohnbezirken. Ihre Zuständigkeit lag bei der Aburteilung von kleineren Vergehen, Verfehlungen und Ordnungswidrigkeiten. Manchmal urteilten sie auch über zivilrechtliche Streitigkeiten.
Durch dieses Einschalten von Laien in die Rechtspflege wurde der Justizapparat in die Gesellschaft integriert. Wer von den gesellschaftlichen Gerichten abgeurteilt wurde galt nicht als vorbestraft. Man sah eine Verurteilung in diesem Fall als "moralische Erziehung des Bürgers im Sinne des Kollektivs"(10)
Problematisch war allerdings teilweise die Bestrafung verschiedener Delikte, denn für manche gab es keine festgelegten Richtlinien sondern nur ein festgesetztes Strafmaß, beispielsweise für "arbeitsscheues Verhalten". Hier hing die Verurteilung von der Interpretation des "Richters" ab.
Ein großer Vorteil, den diese Laiengerichte hatten, war die Entlastung des Justizapparats, da verschiedene Bagatelldelikte eben durch jene gesellschaftlichen Gerichte abgeurteilt wurden.(11)

Richter, Schöffen und Staatsanwälte

Richter und Schöffen wurden von einer Volksvertretung gewählt. Die Amtszeit wurde auf 5 Jahre festgelegt. Da sie aber keine Immunität besaßen konnten sie von der Volksvertretung auch wieder abgesetzt werden.
Lt. Verfassung sind Richter und Schöffen dazu verpflichtet worden linientreu zu sein. Obwohl in Art. 96 Abs. 1 der DDR Verfassung festgelegt ist, dass Richter und Schöffen "in ihrer Rechtsprechung unabhängig" sind.
Die "Unabhängigkeit" der Richter ist so auf die Parteilinie begrenzt, was bedeutet, dass die Richter von der SED abhängig waren.
Um sich der linientreue aller Richter sicher zu sein, wurde festgelegt das nur Richter werden kann, "wer dem Volk und seinem sozialistischen Staat treu ergeben ist und über ein hohes Maß an Wissen und Lebenserfahrung, an menschlicher Reife und Charakterfestigkeit verfügt".(12)
Laut einem DDR-Staatsanwalt muss "der Richter in der DDR [...] ein verlässlicher politischer Funktionär sein."(13)
Gleiches galt auch für die Staatsanwaltschaft. Ihre Aufgabe war es, über die " strikte Einhaltung der sozialistischen Gerechtigkeit" zur "Sicherung der sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung und der Rechte ihrer Bürger" zu wachen (Art. 97 - DDR Verfassung).(14)
Auch hier tritt wieder ein Wiederspruch auf, denn im Staatsanwaltschaftsgesetz der DDR steht auch, dass das Recht des Einzelnen den "Erfordernissen der sozialistischen Gesellschaft untergeordnet" zu sein hat. Deswegen ist die Staatsanwaltschaft auch "zentrales Organ der einheitlichen sozialistischen Staatsmacht mit den oben genannten Aufgaben. Die Staatsanwaltschaft, die sich aus Generalstaatsanwaltschaft, Bezirks- und Kreisstaatsanwälten zusammensetzt, ist an die Volkskammer und deren Anweisungen gebunden, und muss sich dieser gegenüber verantworten.(15)

Ministerium für Staatssicherheit (MfS; Stasi)

Der Verantwortungsbereich der Stasi war primär "der Schutz der Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR" aber inoffiziell legte sie im Auftrag der SED den Richtern die Urteile vor und stellte das Publikum bei "öffentlichen Verhandlungen".
Offiziell galt sie als "zentrales Organ des Ministerrates der DDR zur Organisation der Abwehr und Bekämpfung konterrevolutionärer Anschläge auf die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR." (16) Ihre Berühmtheit erlangte die Stasi durch ihr perfekt organisiertes Netz und die so stattfindende umfassende Kontrolle aller Lebensbereiche in der Deutschen Demokratischen Republik. Durch Spionage im In- und Ausland, vor allem auch in der Bundesrepublik, macht die Stasi auch heute noch, 14 Jahre nach dem Mauerfall, von sich reden.


Der Aufbau des MfS war typisch, die Zentrale stand in Berlin - Lichtenfels von dort aus wurden die Bezirks- und Kreisdienststellen kontrolliert. Dort liefen unter anderem die verschiedenen gesammelten Informationen zusammen. Die Organe der Stasi waren in Hauptverwaltung Sicherung und Hauptverwaltung Aufklärung unterteilt.
In Großbetrieben wie auch in Gefängnissen, war immer ein hauptamtlicher Beauftragter des MfS vertreten um die dortigen Arbeiten bzw. "Umerziehungsmaßnahmen" zu beaufsichtigen.
Die Effektivität der Organisation wurde aber nicht durch diese Mitarbeiter erreicht, sondern eher durch viele "unabhängige inoffizielle" Mitarbeiter. Um nicht den Ausdruck Spitzel oder Spion zu benutzen beschrieb man diese als "sozialistische Kundschafter an der unsichtbaren Front"(17)
Obwohl das Ministerium für Staatssicherheit der Exekutive und nicht der Judikative angehört, ist es wichtig dieses in Verbindung mit dem anderen zu sehen.
In manchem Büro eines Richters saß ein Stasi Mitarbeiter der die Urteile überprüfte und über die Vernehmungspraktiken der MfS, (Verpflegungsentzug, Dunkel-, Kältezellen, lange Einzelhaft, schwere Misshandlungen),(18) wurden immer wieder Dinge bekannt, die mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Verfassung der DDR nicht vereinbar waren.
So war zum Beispiel Erich Mielke der Meinung, und äußerte diese auch öffentlich bei einer Kollegiumssitzung "Wir sind nicht davor gefeit, dass wir mal einen Schuft unter uns haben. Wenn ich dass schon jetzt wüsste, würde er ab morgen nicht mehr leben. Kurzen Prozess.... Das ganze Geschwafel, von wegen nicht hinrichten und nicht Todesurteil - alles Käse, Genossen. Hinrichten, wenn notwenig auch ohne Gerichtsurteil."(19)

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

Die DDR Justiz ist als ein Musterstück der Verstrickung von Behörden und Systemen in der SED Diktatur zu sehen.
Schon während ihrer Studienzeit sind Studenten die später Richter, Staatsanwälte oder Anwälte werden wollten darauf vorbereitet worden, dass dies nur mit Hilfe der Partei möglich war.
So galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass Jurastudenten Mitglieder der SED zu sein hatten.
Der Begriff der Unabhängigen Justiz wurde von der SED öffentlich verlacht.(20) "Der durch keine Gewaltenteilung", wie oben ausführlich beschrieben, "behinderte reale Souverän des politischen Systems der DDR waren das Politbüro der SED und der Erste Sekretär beziehungsweise Generalsekretär des Zentralkomitees [dieser Posten war durchgehend von einem SED Mitglied besetzt]. Sie beanspruchten hinter der Fassade des Verfassungsstaates nicht nur die Herrschaft über die Gesetzgebung und die personelle Zusammensetzung des Staatsapparates (unter anderem geregelt im Nomenklatursystem), sondern bei politischem Bedarf gleichermaßen die Herrschaft über die Festnahmen, Anklageerhebungen. Anders gesagt, es gab keine justitieller Verfahren und Abläufe, die für die Parteiführung prinzipiell ‚eingriffsfest' war. "(21)

Rechtssprechung

Waldheimer Nazi - Prozesse

In den "Waldheim Prozessen" 1950 wurde der Missbrauch der "Entnazifizierung" in der DDR deutlich sichtbar.
Wie in ganz Deutschland wurden führende Nationalsozialisten in Lager gebracht, die meist ehemalige Konzentrationslager waren. Allerdings wurden in der SBZ nicht nur Nationalsozialisten in die Lager gebracht. Auch Sozialdemokraten, die sich kritisch und abwehrend gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht und der KPD/SED betriebenen Politik verhielten, wurden dort inhaftiert.
1948 lösten die Amerikaner, die Franzosen und die Engländer ihre letzten Lager auf. Anders war dies in der SBZ. Das letzte Internierungslager wurde dort am 17. Januar 1950 aufgelöst. 10.500 der Gefangenen wurden der DDR Justiz unterstellt.
10.000 wurden ohne Urteil freigelassen, 3.400 allerdings wurden "zur Untersuchung ihrer verbrecherischen Tätigkeit und Aburteilung durch das Gericht der Deutschen Demokratischen Republik" weiter in Haft behalten.
Ihnen wurde ab April 1950 in Waldheim der Prozess gemacht.


160 davon hatten zur Kapitulation der Nazi-Diktatur noch nicht einmal das 18 Lebensjahr erreicht.
Wie oben schon einmal erwähnt waren einige der Richter der DDR von der SED Regierung ernannt worden, obwohl dies mit dem Art. 133 der DDR- Verfassung, welcher wenige Monate vor den Waldheimprozessen verabschiedet wurde, nicht vereinbar war, da er Ausnahmegerichte verbot wie auch dass ernennen von Richtern durch eine nichtstaatliche Organisation.
Zum Richter wurden von der Partei ernannt, wer auf die Frage "ob sie bereit wären , von der SED gefällte Urteile zu verkünden" bejahte. Falls man hierzu nicht bereit war, hatte man seine Ernennung zum Richter in Waldheim verspielt.
Am Vorabend einer jeden Verhandlung besuchte ein SED Beauftragter den entsprechenden Richter und legte die Strafe fest, die zu verkünden war.
So dauerte jede Verhandlung ca. 30 bis 40 Min und fanden ohne Zeugen oder Verteidiger des Angeklagten statt.
Es gab zwar 10 Fälle die öffentlich verhandelt wurden, allerdings wurde hier ein Publikum ausgewählt, das vor Verhandlungsbeginn eine Art Generalprobe zu absolvieren hatte. Zwar gab es in der DDR Verfassung einen Artikel, der das Recht auf eine öffentliche Verhandlung garantierte, dies wurde aber auf Wunsch der Partei einfach ausgesetzt.
Von den Angeklagten in Waldheim wurden 32 zum Tode verurteilt. Die letzte Entscheidung über ihr Todesurteil fällte allerdings nicht ein Gericht, sondern der Generalsekretär des ZK (Zentralkomitees) der SED, Walter Ulbricht.
Weder in der Verfassung noch im Gerichtsverfassungsgesetz wird ihm dafür die Position eingeräumt.


Fakt ist, dass von den 32 zum Tode verurteilten 24 hingerichtet wurden und 6, nach Anweisung des Politbüros, Lebenslang in Haft kamen. 2 andere sind vor der Exekution gestorben. Seit 1993/94 liegen für die Behauptung, dass es eine "Regieanweisung" bei den Waldheimprozessen gab Beweise vor.


Es wurden Papiere vorgelegt, in denen niedergeschrieben wurde, dass die "Öffentlichkeit aus dem dortigen [(Haus der Staatssicherheit, Dresden)] Mitarbeitern bestehen soll."(22) Auch wurde festgelegt, das "Richter und Beisitzer [...] möglichst durch Beschluss verwerfen" sollen. Was soviel Bedeutet wie, keine Zulassung von Rechtsmittel (Berufung Wiederspruch etc.). Ebenso wie Wahlverteidigung oder Zeugen nicht zugelassen wurden da, so wörtlich, "dann eine große Anzahl Freisprüche herauskämen"(23)
Nachdem diese Punkte geregelt waren, wurde die Strafe festgelegt und die Sowjetische Militäradministration informiert.
So kann man heute sagen ist die DDR "Justiz als Theaterspiel, doch mit blutigem Ausgang" (24) zu sehen.
Wie wir heute wissen, waren die "Waldheimer Prozesse" für die DDR Führung sehr wichtig, denn "die anlässlich der "Waldheimer Prozesse" praktizierten vielfältigen Lenkungs- und Eingriffsmechanismen, die die SED unter konsequentem Bruch mit der frisch verabschiedeten Verfassung einsetzte, finden sich in den unterschiedlichem Maße auch in den folgen Jahren wieder. Insoweit war "Waldheim" eine Generalprobe für die SED Justiz. Zu ihnen zählten:


Politische Strafjustiz

Ein Bild das uns heute als erstes einfällt, wenn wir an die DDR denken, sind Geschichten von waghalsigen Fluchten über die "Zonengrenze".


Diese Fluchtversuche wurden "ungesetzliche Grenzübertritte" genannt. Wer zur Flucht verhalf und erwischt wurde, konnte wegen "staatsfeindlichem Menschenhandel" verurteilt werden.
In der DDR Justiz wurden Fluchtversuche als politische Delikte geahndet, mit 50 % machten sie den Großteil der Urteile auf dieser Ebene aus. Die restlichen 50 % setzten sich aus "staatsfeindliche Hetze", "Spionage", "verfassungsfeindlichen Zusammenschluss" oder andere sogenannte "konterrevolutionäre Verbrechen" zusammen.
(27)

Ein Musterbeispiel für den Vorwurf der Staatsfeindlichen Hetze und Politisierung der Justiz erfuhr der DDR-Richter Udo Gemballa am eigenen Leib. 1956 äußerte er sich in einer Rede über die Bedeutung und Rolle des Rechts bei der Festigung des Arbeiter und Bauernstaates kritisch. Dafür wurde er zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt und seines Richteramtes enthoben.
Der Vorwurf der staatsfeindlichen Hetze genügte der SED aber nicht, um sich in Zukunft vor solchen "Übergriffen" ihrer Richter zu schützen. Aus diesem Grund wurde Gemballa noch zusätzlich zur Hetze, wegen Rechtsbeugung verurteilt.
Er hatte zwei Jugendliche, die über die Grenze geflohen waren, da sie eine Prügelei begonnen hatten, und wieder zurück gekehrt sind, nur zu 3 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, wegen der Prügelei. Die Landesflucht hatte er außen vor belassen.(28) Obwohl er sie lt. Passgesetz mit bis zu 3 Jahren Haft oder Geldstrafe belegen hätte müssen.(29)

DDR -Richter Problematik

Wenn man heute über den Sinn des Themas Justiz in der DDR nachdenkt, könnte man meinen es ist unwichtig geworden, denn die DDR ist aufgelöst.
Dies ist allerdings ein Fehler. Viele ehemalige DDR Bürger sind immer noch zu unrecht verurteilt und nicht wieder rehabilitiert worden. Wie auch viele DDR Richter, die ihre Position ausgenutzt haben, noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.
Allerdings ist die Aburteilung von Angestellten der DDR Justiz nicht so einfach wie man glauben möchte. Durch die schwammige Beschreibung der Gesetze und durch die, bei Bedarf, neu eingebrachten Regelungen der SED sind viele Urteile gültig, bzw. gültig gemacht worden.
Ein weiteres Problem der Aburteilung der DDR Richter ist, dass die meisten sich zwar an die Gesetze gehalten haben, aber das diese sich teilweise in sich wiedersprachen. Wie zum Beispiel das richten nach dem eigenen Gewissen aber doch auch nach der Linie der Partei. Viele Richter fürchteten auch um ihren Beruf und / oder ihre Familien, wenn sie den Willen der Partei nicht erfüllten. Der berühmte Ausspruch "Was hätten sie denn gemacht" ist aus diesem Grund nicht selten zu hören, wenn ein DDR Richter auf der Anklagebank sitzt.
Udo Gemballa, der Richter in der DDR war und wegen seiner eigenen Gedanken nicht nur seines Amtes enthoben, sondern auch ins Gefängnis gesteckt wurde, hat selbst davon berichtet das er immer Angst hatte wenn er einen schwarzen EMW PKW gesehen hat, wieder in die Stasi Haft zu gelangen.
Ist es da nicht nachvollziehbar das man lieber der Regierungslinie folgt und die ausgewiesenen Urteile spricht? Anstatt wie Gemballa auf Rechtsstaatlichkeit und auch Menschlichkeit zu pochen und dafür eingesperrt zu werden?
Diese Frage ist heute schwer zu beantworten, da die wirkliche Macht des Systems uns trotz vieler Berichte von Zeit Zeugen und Dokumenten verschlossen bleibt, und wenn nicht verschlossen, dann doch sehr schwer verständlich. Es stellt sich die Frage ob wir hier und heute die Menschen der Zeit verurteilen können? Nach unserem Gesetz können und müssen wir dies sogar. Doch sollte man nie vergessen, dass die zu Verurteilenden in einem Land gelebt haben, dass durch eine Mauer geteilt war und aus dem sie nicht hätten flüchten können, ohne ihr Leben zu gefährden.
Ein Reporter hat Krustschow nach dem Tod Stalins gefragt warum keiner etwas gegen ihn unternommen hätte. Chruschtschow fragte in den Saal "Wer hat das gesagt?" und alle schwiegen. Seine Antwort auf die Frage war ein einfaches "Sehen sie... darum".
Ich denke dieses Beispiel kann man auch auf die Justiz der DDR anwenden, wenn man die Frage stellt warum die Richter sich nicht gegen die Einmischung der SED und der Stasi gestellt haben. Angst.

Die DDR- ein Unrechtsstaat?

Diese Frage lässt sich mit wenigen Worten beantworten, und muss in den meisten Fällen bejaht werden. In vielen Verhandlungen sind Bewohner der DDR systematisch Rechte verweigert worden, die in der Verfassung für sie festgelegt waren, zum Schutz vor einer erneuten Parteiendiktatur und Unterdrückung wie im dritten Reich.
Aber man sollte nicht vergessen, dass wohl die Überzahl der Rechtsprechungen in der DDR, sich in einem Rahmen bewegten den man mit gutem Gewissen als Gesetzestreu beschreiben kann.(30)

Schluss

Abschließend ist wohl nicht von der Hand zu weisen, dass viele strafrechtliche Urteile politisiert wurden, und dass es bei diesen Verfahren nicht nach verfassungsmäßigen Gegebenheiten, sondern nach dem Willen "der Partei" ging.
Trotzdem vermissen viele ehemalige DDR Bewohner dass DDR Recht, dass sie als übersichtlicher und einfacher empfanden, als dass Recht der Bundesrepublik heute, in dem man ohne einen Anwalt nicht zu seinem Recht kommen kann.






Fußnoten:

1 Göbel, Walter S. 99 Z. 09 - 12
2 Göbel, Walter S. 99 Z. 18
3 Göbel, Walter S. 99 Z. 26 - 35
4 Göbel, Walter S. 99 Z. 41 -43
5 Göbel, Walter S. 98 - 99
6 Fricke, Karl Wilhelm S. 30 Z. 38 - S. 31 Z. 20
7 Fricke, Karl Wilhelm S. 38 Z. 41 - 43
8 Fricke, Karl Wilhelm S. 38
9 Göbel, Walter S. 100 Z. 8 - 10
10 Göbel Walter, S. 100 Z. 26 - 27
11 Göbel Walter, S. 100 Fricke; Karl Wilhelm S. 38
12 Göbel Walter, S. 101 Z. 6 - 7
13 Göbel Walter, S. 101 Seitenrand
14 Göbel Walter, S. 101 Z. 12 - 15
15 Göbel Walter, S. 100 - 101
16 Göbel Walter, S. 102 Z. 3 - 6
17 Göbel Walter, S. 102 Z. 17 - 18
18 Göbel Walter, S. 102 Seitenrand
19 Bürgerkomitee Leipzig; S. 213
20 Bürgerkomitee Leipzig S 214 - 215
21 Werkentin, Falco S. 99 Spalte 2 Z. 30 - 46
22 Werkentin, Falco S. 13 Z. 31 - 32
23 Werkentin, Falco S. 14 Spalte II Z. 7 - 8
24 Werkentin, Falco S. 13 Spalte I Z. 34 - 35
25 Werkentin, Falco S. 16 Spalte II Z. 8 - S. 17
26 Werkentin, Falco S. 12 - 17
27 Göbel, Walter S. 101
28 Gemballa, Udo S. 18 u. Anhang 12
29 Gemballa, Udo Anhang 3
30 Werkentin, Falco S. 99 Z. 1 - 10


Literaturverzeichnis:

1. Bürgerkomitee Leipzig; STASI intern - Macht und Banalität; Forum Verlag; Leipzig 1991
2. Fricke, Karl Wilhelm; Politik und Justiz in der DDR - Zug Geschichte der Verfolgung 1945 - 1968 Bericht und Dokumentation; Verlag Wissenschaft und Politik; Köln 1979
3. Gembala, Udo; DDR - Justizunrecht; zwischen 17. Juni 1953 und Mauerbau; Books on demand GmbH, Norderstedt 2003
4. Göbel, Walter; Kurswissen Politik, Systemvergleich, Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik; Ernst Klett Verlag; Stuttgart 1989
5. Werkentin, Falco; Recht und Justiz im SED - Staat, Bundeszentrale für politische Bildung; Bonn 1998